Finanzialisierung des Wohnungsmarktes, Spekulanten und renditeorientierte Investoren, fehlende Transparenz und Regulierung – In vielen Städten rund um die Welt tragen sie dazu bei, dass Preise explodieren und das Zuhause für viele Mieter:innen unbezahlbar wird. Mit dem Projekt “Wem gehört die Stadt?” will die Rosa-Luxemburg-Stiftung dazu beitragen, diese Strukturen und Akteure sichtbar zu machen und die Grundlage für eine öffentliche Diskussion über politische Lösungen legen.
In den meisten Ländern und Städten gehört der Großteil der Wohnungen denen, die darin wohnen und den Banken bei denen sie sich dafür verschuldet haben. Gleichzeitig gibt es in fast jeder Stadt Privateigentümer:innen die einzelne Wohnungen vermieten oder als Kapitalanlage besitzen genauso wie Privatpersonen, die größere Wohnungsbestände besitzen und teilweise von Generation zu Generation weiterreichen. Schließlich gibt es in vielen Städten größere staatliche, genossenschaftliche oder gemeinnützige Mietwohnbestände. Relativ neu sind große, teilweise länderübergreifende und kapitalmarktorientierte Wohnungsunternehmen und auf Wohnimmobilien spezialisierte Investmentfonds. Die Verteilung der Wohnungen auf diese Eigentümergruppen bestimmt die Struktur des Wohnungsmarktes und die daraus entstehenden Probleme und unterscheidet sich stark von Stadt zu Stadt.
Mit einem Mieteranteil von mehr als 90% ist Zürich die Mieterhauptstadt Europas, gefolgt von Leipzig und Berlin. Der mit Abstand größte Teil der europäischen Investitionen von professionellen, finanzmarktorientierten Investoren über die letzten Jahre floss nach Deutschland und vor allem nach Berlin.
In den meisten Ländern und Städten ist der Wohnungsmarkt – anders als der Markt der Gewerbeimmobilien – traditionell eher lokal geprägt. Grenzüberschreitende Investitionen in Wohnimmobilien sind eher selten. Durch Zusammenschlüsse und Zukäufe häufig nach Privatisierung öffentlicher Wohnungsbestände sind in den letzten Jahren aber einzelne länderübergreifende Wohnungsriesen entstanden.
Bisher haben wir acht Investoren identifiziert, die in mindestens drei der von uns analysierten Städte aus mindestens drei unterschiedlichen Ländern Immobilien besitzen – bis auf einen waren alle auch in Berlin investiert und hatten dort auch mit Abstand die größten Wohnungsbestände. Während die großen Wohnungsunternehmen transparent über ihre Wohnungsbestände berichten, verraten die meisten großen Vermögensverwalter und Investmentfonds nicht einmal wie viel Geld sie insgesamt in europäische Wohnimmobilien investieren.
Für die Antwort auf die Frage “Wem gehört die Stadt?” gibt es drei wesentliche Quellen, die nicht in jeder Stadt gleich gut und gleich gut zugänglich sind:
Während in Deutschland die Eigentümer aller Immobilien für den Zensus alle 10 Jahre befragt und klassifiziert werden (zuletzt 2011), gleichen die Statistikbehörden in der Schweiz das Gebäude- und Wohnungsregister jedes Jahr automatisch mit den Eigentümern im Grundbuch ab und stellen einen aktualisierte Eigentümerstruktur zur Verfügung. Andere Länder wie Spanien veröffentlichen gar keine detaillierten Statistiken auf Stadt-Ebene.
Jede europäische Stadt hat ein Grundbuch – auch wenn ein Eintrag nicht überall verpflichtend ist. In den meisten der analysierten Städte sind die Daten öffentlich zugänglich. Einzelne Länder beschränken den Zugang aber über hohe Kosten (Spanien) oder den Nachweis eines berechtigten Interesses (Deutschland, Griechenland). In anderen Ländern sind komplette Datensätze verfügbar, teilweise beschränkt auf Immobilien im Besitz von juristischen Personen (Großbritannien, Frankreich, Dänemark, Tschechien, Österreich).
Weil im Grundbuch teilweise Unternehmen als Eigentümer eingetragen sind, ist es nötig die Informationen aus dem Grundbuch mit den Unternehmensregistern zu verknüpfen. Auch hier gibt es öffentlich und elektronisch zugängliche Register wie in Großbritannien, öffentliche aber durch Zahlungsmodalitäten und hohe Kosten beschränkte Register wie in Deutschland. Seit Anfang 2020 müssen alle EU-Länder in einem Register den finalen Eigentümer:innen (wirtschaftlich Berechtigten) öffentlich zugänglich machen, aber nicht alle haben das bis jetzt auch umgesetzt.
Weitere Hintergründe zum Projekt, Projektpartner:innen und ähnliche lokale Projekte und weitere Information finden sich hier: